Vom 28. bis zum 30.04.2023 fand am Sitz der Stiftung Fundacja Sztuka Wolności in Idzbark die Eröffnung des Projekts „Deutsch-Polnisch-Ukrainischer Kultursalon“ statt. Dieses zweimonatige Projekt, das gemeinsam mit dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) durchgeführt und von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit mit Mitteln des Auswärtigen Amtes der BRD finanziert wird, zielt darauf ab, die lokale Gemeinschaft von Idzbark und Umgebung zu aktivieren, indem sie die Multikulturalität von Ermland und Masuren erlebt. Die gemeinsame Plattform für dieses Erlebnis ist die Musik, die von den drei in der Region vertretenen Kulturkreisen – dem deutschen, ukrainischen und polnischen – inspiriert ist. Mehr über das bewegende Konzert, das den ersten Workshop im Rahmen dieses Projekts abschloss, erfahren Sie hier: https://sztukawolnosci.org.pl/polsko-ukrainsko-niemiecki-salon-kultury-i-edycja/
Der Deutsch-Polnisch-Ukrainische Kultursalon findet unter der Schirmherrschaft des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Danzig statt. Für die Stiftung Fundacja Sztuka Wolności ist dies eine große Ehre! Generalkonsulin Cornelia Pieper, mit der wir u.a. beim Projekt zum Wiederaufbau des Lehndorff-Schlosses in Sztynort zusammenarbeiten (mehr zu diesem Projekt hier: https://sztukawolnosci.org.pl/de/schloss-sztynort-steinort/), schickte uns ein Grußwort anlässlich der Eröffnung des Deutsch-Polnisch-Ukrainische Kultursalons. Olga Żmijewska, die Stifterin und Vorstandsvorsitzende der Stiftung Fundacja Sztuka Wolności verlas den Brief während des Abschlusskonzerts des Kultursalons am 30.04.2023. Das herzliche und motivierende Grußwort der deutschen Generalkonsulin Cornelia Pieper können Sie in einem separaten Beitrag unter diesem Link lesen: https://sztukawolnosci.org.pl/slowo-pozdrowienia-konsul-generalnej-rfn-w-gdansku-cornelii-pieper/
Nachfolgend veröffentlichen wir die polnische Übersetzung der Eröffnungsrede zum Deutsch-Polnisch-Ukrainischen Kultursalon , verlesen am 30.04.2023 von Luis Schönecker, dem nach Olsztyn Entsandten unseres deutschen Projektpartners Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). Der Inhalt der Rede gibt den gemeinsamen Standpunkt der Projektpartner wider, d.h. der Stiftung Fundacja Sztuka Wolności und des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa). Sie wurde im Original von Luis Schönecker auf Deutsch verfasst und dann von Olga Żmijewska, der Stifterin und Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Fundacja Sztuka Wolności sowie Initiatorin und Koordinatorin des ins Polnische übersetzt.
Gemeinsam begrüßten Luis und Olga die Gäste des Deutsch-Polnisch-Ukrainischen Kultursalons zweisprachig mit den folgenden Worten:
„Als Olga mir von Ihrer Idee erzählte, einen Salon zur kulturellen Vielfalt Ermland und Masuren zu veranstalten, in dessen Zentrum Musik von jungen Künstlerinnen steht, rannte sie bei mir offene Türen ein. Seit meiner Ankunft war ich von den vielseitigen Einflüssen und der komplizierten und spannenden Geschichte der Region beeindruckt. Also setzten wir uns zusammen und erfreulicher weiße entstand dabei der heutige Abend. Genannt haben wir das Projekt letztendlich „ukrainisch-polnisch-deutscher Kultursalon“.
Das ist schon ein Wortungetüm, aber ich denke, der Titel erfüllt seinen Zweck und weckt bei jedem gewisse Assoziationen, die darauf hinweisen, was wir hier heute gemeinsam machen möchten. Trotzdem muss ich sagen, dass ich nicht besonders glücklich mich dem Titel bin, wie ich mir immer mit Verkürzungen schwertue. Als gelernter Historiker gehört es zu meinem Selbstverständnis auf Verkürzungen mit einem „So einfach ist die Sache nicht“ zu reagieren.
Also, seien wir ehrlich. Kultur ist eines dieser Worte, mit dem jeder etwas anfangen kann, mit dem man zumeist etwas Positives verbindet, aber… wenn man das Wort definieren und eingrenzen muss, wird es relativ schnell schwierig. Und übrigens, um hier ein Schmunzeln auf meine Kosten hervorzulocken, meine offizielle Berufsbezeichnung ist „Kulturmanager“. Bitte sehen Sie davon ab, mich zu fragen, was das sein soll und was ich wie „manage“. Solange ich großartige Projekte mit tollen Partnern und Gästen machen darf, möchte ich mir darüber keine Gedanken machen müssen.
Es gibt, etwas vereinfacht, zwei Aspekte, die wir meinen, wenn wir von Kultur sprechen. Zum einen, kreative Erzeugnisse von Menschen, wie Musik oder Malerei. Zum anderen eine Art Orientierungssystem von sozialen Gruppen. Also Verhaltensmuster, Umgangsformen, Überzeugungen, Weltbilder und so weiter. Für unsern gemeinsamen Abend heute ist eine genaue Unterscheidung und Definition gar nicht so wichtig. Wir meinen „Kultur“ im weitesten Sinne und sind überzeugt, wir sind alle Kulturschaffende in der ein oder anderen Weiße. Wenn wir uns heute Abend austauschen, wenn wir etwas kochen, Sprache kreativ benutzen, unseren Garten pflegen oder Kinder erziehen, hat das in meinen Augen immer auch eine kulturelle und künstlerische Ebene. Der Philosoph Bernhard Wadenfels bringt es auf den Punkt: „Kultur ist in gewisser Weise alles“.
Wesentlich wichtiger ist mir heute Abend allerdings, wie wir Kultur verstehen, was mich zur zweiten Kritik an unserem Titel führt: Wir haben dem Kultursalon die nationalen Kategorien deutsch, polnisch und ukrainisch vorangestellt. Damit haben wir aus Gründen der Verständlichkeit auf ein altes Kulturverständnis zurückgegriffen, das eigentlich völlig überholt ist. Dieses Verständnis stammt aus dem 18. Jahrhundert, der Zeit des aufkommenden Nationalismus. So hat zum Beispiel Johann Gottfried Herder, übrigens ein gebürtiger Ostpreuße aus Mohrungen, dem heutigen Morag, Kultur als Kugeln beschrieben.
Warum Kugeln? Kulturen werden von ihm als in sich geschlossen gedacht. Laut Herder können sie nur aneinander anstoßen, aber nicht kommunizieren oder sich gar vermischen. Was in der Kugel ist, muss möglichst gleich sein und trägt somit schon den Zwang zur Anpassung des Einzelnen in sich. Zum anderen grenzt sich die Kugel klar nach außen hin ab.
Nun fragt man sich zurecht, wie jemand, der in Mohrungen geboren, in Königsberg studiert, mit Kontakten zu Russland und von der französischen Aufklärung stark beeinflusst war, Kultur so betrachten konnte. Man muss es eben im Kontext der Zeit sehen. Herder war sicherlich kein Dummkopf. Es war zu seiner Zeit schlicht eine nötige Betrachtungsweise, um die Nation zu schaffen, da die Komponente der kulturellen Zusammengehörigkeit für die Herausbildung von Nationen natürlich maßgeblich war. Ein exklusives Kulturverständnis war hierbei hilfreich. Somit ist die Idee der Kultur als Kugel vielleicht ein notwendiges Übel gewesen, um dem Nationalstaat zur Geburt zu verhelfen.
Wie gefährlich eine solche Ansicht aber werden kann, zeigt uns der Nationalsozialismus. Die Parole war ein Volk – eine Kultur. Aus der sogenannten arisch-deutschen Kultur wurde nach der Machtergreifung jeder erbarmungslos ausgegrenzt und oft auch ermordet, der nicht in die Kulturvorstellung gepasst hat. Sie waren von der Idee einer kulturellen Eigenheit des Volkes so besessen, dass sie in den eroberten Ostgebieten, besonders in Polen, die Vegetation und Natur in einer weise änderten, dass sie meinten, sie würden nun der deutschen „Kulturlandschaft“ entsprechen.
Und auch Putin begründet seinen schrecklichen Krieg gegen die Ukraine mit historischen und kulturellen Argumenten, die sich jeglicher Realität verweigern. Putin führt, seinen eigenen Worten nach, einen Kulturkampf gegen die Kultur des Westens, die er als Bedrohung empfindet. Auch hier wird die Vielfältigkeit der Kultur in der Ukraine und im Westen negiert. Wir sehen also, exklusive und geschlossene Betrachtungsweisen von Kultur bringen Leid an Stelle von Bereicherung.
Historisch ist diese Betrachtungsweise sowieso schon immer falsch gewesen und die Unterscheidung in Ukrainisch, Deutsch oder Polnisch, in „unsere“ und „deren“ Kultur nicht haltbar. Die Verflochtenheit von Kultur scheint mir die Regel und nicht die Ausnahme in der Geschichte gewesen zu sein. Auch deshalb sollten wir Kultur als verflochten und voneinander durchdrungen verstehen und nicht als abgeschlossene Kugeln. Und ich denke, besonders wenn wir uns heute Abend über das historisch-kulturelle Erbe des Gebiets des ehemaligen Ostpreußens unterhalten, müssen wir Kultur als sich miteinander verbunden verstehen, um die Vielfalt der Region wirklich zu verstehen.
Einige Beispiele: Herder, aber auch Immanuel Kant, der bekanntlich aus Königsberg stammte, waren große Förderer der litauischen Kultur. Viele Ostpreußen hatten Litauisch als Muttersprache und gleichzeitig ein vom Litauischen abweichendes Nationalbewusstsein. Gerade die Vielsprachigkeit, das Mit- und Nebeneinander der Ostpreußen muss als Beweis für die mehrere hundert Jahre andauernde Toleranz der Bewohner des Landes mit den dunklen Wäldern und kristallenen Seen gelten. Und wussten Sie, dass die Prußen, ein kleines Fell und Bernstein handelndes Volk, Namensgeber und sozusagen Ureinwohner des Gebiets, sich in einem langen Prozess in das Kulturgemisch Ostpreußens einfügten? Noch heute verraten einige Namen und Worte im ostpreußischen Deutsch deren kulturellen Einfluss.
Kultur als verflochten und nicht als Kugel, bzw. Nationalkultur zu sehen, vereinfacht im Übrigen auch einige Diskussionen. Man erlaube mir diese kleine Provokation: Wenn Sie mal mit einem Franzosen, einem Deutschen und einem Polen zusammensitzen sollten, erwähnen Sie doch einfach mal die Namen Nikolaus Kopernikus, Marie Sklodowska Curie und Fryderyk Franciszek Chopin. Sie können sich sicher sein, dass Sie damit eine Diskussion auslösen, wobei man sich am Ende dann fragen möchte, warum man nun eigentlich lieber über die nationale Zugehörigkeit der Personen diskutiert hat, als deren kulturelle Bedeutung, die übrigens in ganz Europa und darüber hinaus unbestritten ist. Wer sich noch nie in eine solche Diskussion verwickeln lassen hat, möge den ersten Stein werfen.
Und heute sind wir alle, ganz ähnlich wie eine Curie oder ein Kopernikus, von verschiedenen Kulturen beeinflusst. Sogar mehr denn je, da wir mobiler geworden sind und der Informationsaustausch immer einfacher und schneller vonstattengeht.
Kultur als sich verflochten und sich im Austausch befindend zu beschreiben, heißt jedoch weder, dass Kultur nicht lokal verwurzelt sein kann, noch dass wir bald in der oft beschworen McDonalds Gesellschaft leben werden, in der es keine kulturellen Unterschiede mehr gibt. Viel mehr, um eine weitere Metapher zu bemühen, sollten wir es uns vielleicht wie beim Klettern vorstellen, wo man immer an einem Punkt mit Seil und Karabiner gesichert ist, von dem aus man sich aber in verschiedene Richtungen bewegen kann. So kann man auch in der regionalen Kultur verankert sein und sich je nach Fähigkeiten und Lust eben weitere Kultur erschließen.
Schön ist, dass je mehr kulturelle Elemente man in sich vereint, es wahrscheinlicher wird, Gemeinsamkeiten mit anderen Individuen zu finden. Man kann Gemeinsamkeiten oder Unterschiede entdecken und neue Gemeinsamkeiten entwickeln. Statt einer Haltung der Abwehr gegen das Fremde kann man so Praktiken der Kommunikation entwickeln. Und genau dazu möchten wir Sie heute Abend alle herzlich einladen. Tauschen Sie sich miteinander aus, finden Sie gemeinsame Erfahrungen, lernen Sie etwas Neues übereinander und hören Sie der Musik genau zu. In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen bereichernden Abend.“